In der Diskussion um eine regenerative Wirtschaft spielt Haltung eine entscheidende Rolle. Auch ich war zunächst davon überzeugt, dass regenerative Eigenschaften einer Organisation im ersten Schritt in der sichtbaren oder zumindest fest definierten Struktur festgelegt sein sollten. Schnell landet man bei den Fragen wie Eigentum, Governance und die Art und Weise wie im Unternehmen mit Finanzen umgegangen wird, um es systemisch auf eine regenerative Wirtschaftsweise auszurichten. Eine Wendung meines Denkens gab mir das Denkwerkzeug der vier Quadranten von Ken Wilber und eine enge Zusammenarbeit mit meinem sehr geschätzten Freund und Sparringspartner, der als Organisationsentwickler tätig ist.

Ken Wilber's vier Quadranten sind ein zentrales Element der integralen Theorie, welche darauf abzielen, die verschiedensten Aspekte und Bedürfnisse in Resonanz zu bringen. Die vier Quadranten (siehe Abbildung) repräsentieren verschiedene Dimensionen menschlichen Erlebens und Erfahrungen, die in zwei Achsen unterteilt sind und ein Spannungsfeld eröffnen: die innere und äußere als auch die individuelle und kollektive Dimension.
Haltung: Innen-Ich: Dieser Quadrant befasst sich mit der inneren Erfahrung des Individuums, einschließlich Gedanken, Gefühlen und Intentionen. Er umfasst subjektive Bewusstseinszustände und psychologische Aspekte des Seins.
Verhalten: Außen-Ich: Hier geht es um das äußerlich Beobachtbare am Individuum, wie biologische und neurologische Zustände. Dieser Quadrant betrachtet das Individuum aus einer objektiven, empirischen Perspektive und umfasst Aspekte wie das Verhalten, Fähigkeiten und Wissen.
Kultur: Innen-Wir: Dieser Quadrant reflektiert die inneren, geteilten Aspekte des Kollektivs, wie Kultur, Moral und gemeinsame Werte. Er beschäftigt sich mit den subjektiven, intersubjektiven und kulturellen Dimensionen, die eine Gruppe oder Gesellschaft prägen. Sozusagen die Art und Weise wie Wir zusammenarbeiten.
Struktur: Außen-Wir: In diesem Quadranten werden die äußeren, systemischen Strukturen des Kollektivs betrachtet, einschließlich sozialer Systeme, Organisationen und Umweltbedingungen. Im Kontext einer Organisation geht es um die objektiven Aspekte wie das Geschäftsmodell, Produkte und Prozesse.
Unsere Analyse des Status Quos: Unsere westliche Welt ist sehr stark im Außen. Zu stark?
Wilbers Modell betont, dass kein Quadrant isoliert betrachtet werden sollte, da alle vier interdependent sind und zusammen ein ganzheitliches Bild der Realität einer Person oder Organisation bieten. Mein Kollege hat in diesem Zusammenhang in meinem Sprachgebrauch den Begriff „vier-quadrantisch“ geprägt. Dieser Ansatz fördert ein ganzheitliches Verständnis und ermöglicht es, Probleme und Phänomene aus den vier verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zu adressieren. Außerdem fordert uns diese „vier-quadrantische“ Perspektive immer wieder auf, vom offensichtlich sichtbaren, auch einen Blick auf das nicht-sichtbare zu werfen.
Unserer Erfahrungen nach waren Organisationen bisher sehr gut in der Lösungsgestaltung im Außen. Konventionell werden Veränderungen von dieser sichtbaren Seite her angestoßen wie z.B. durch die Einführung eines neuen Systems oder neuer Arbeitsweisen. Diese Initiativen kommen aber auch schnell wieder zum Erliegen, da die linke Seite, also die Kultur der Organisation als auch die Haltung der mitarbeitenden Personen mit der Initiative im Außen nicht direkt in Resonanz und darin aufgehen. Sicher ist das zu Beginn einer Veränderung immer so, nur fehlt anschließend viel zu oft der Raum.

Wie in der Abbildung zu sehen, versuchen wir mit der blauen Fläche innerhalb der Quadranten die derzeitige Kapazität innerhalb der Organisationen zu visualisieren. Eine große blaue Fläche bedeutet, dass es dafür derzeit viel Raum gibt. Im Umkehrschluss bedeutet eine kleine blaue Fläche, dass die Auseinandersetzung mit diesem Quadranten weniger Raum zur Verfügung steht. Natürlich stellt die Abbildung lediglich unsere subjektive Sicht des Status Quos dar.
Glaubt man der Theorie von Ken Wilber und verfolgt den Grundsatz des „vier-quadrantischen“ Vorgehens, ist der Fokus auf einen Quadranten allein zu legen nicht falsch, nur erhöht sich dadurch das Risiko durch fehlende Resonanz von einem der anderen Quadranten ausgehebelt zu werden.
Beim Thema regeneratives Wirtschaften sollten wir uns immer im Hinterkopf behalten, dass Veränderung und Transformation auf allen vier Quadranten stattfinden muss, um eine nachhaltige Integration der verschiedenen Aspekte zu ermöglichen. Ein Fokus auf Haltung, Verhalten, Kultur oder Struktur als einzelne Elemente allein, wird es nicht lösen. Das gilt natürlich nicht nur für den Struktur-Quadranten, sondern auch für alle Weiteren.
Die Betrachtung aller vier Quadranten zur Entwicklung einer regenerativen Organisation ist notwendig, …
- um die eigene Ausrichtung auf ein regeneratives Zukunftsbild zu entwickeln.
- um den Entwicklungsstand der Organisation zu diagnostizieren.
- um das Spielfeld der Organisation in regenerative Räume zu transformieren.
Im zweiten Teil versuchen wir diese Theorie praxisorientiert anzuwenden. In die Welt des regenerativen Wirtschaftens.
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